Bis die Diagnose feststeht, vergeht meist sehr viel Zeit, die man jedoch braucht, um die Krankheit zu verstehen, damit umgehen zu können und mit lindernden Therapiemaßnahmen beginnen zu können.

                                                                                                                                              

Meine beiden Söhne und ich sind mit dem mutierten COL6 A3-Gen betroffen. Unsere Mutation ist laut Auskunft des Genetiklabors (Datenbank) so mutiert, wie noch nirgendwo verzeichnet bzw. registriert. Selbst in unserer Familie präsentiert sich die Krankheit sehr unterschiedlich. Der Kleinste ist seit dem 3. Lebensjahr schwer betroffen, der große Sohn ist kaum beeinträchtigt und meine Einschränkungen entwickelten sich erst ab dem 30. Lebens- jahr stark aus.

Die ersten Symptome habe ich Jahre lang verdrängt, aufgeschoben und wenig Beachtung geschenkt. Viele Zusammenhänge klärten sich auch erst jetzt auf. Die Krankheit begann schleichend. Mit 1 ½ Jahren fing ich erst an zu laufen. Meine Mutter sagte mir, ich wäre ein überaus ruhiges Kind gewesen. Die eigentlichen Probleme fingen dann in der Schulzeit an. Ich war immer k.o. hatte schwache Muskeln, Schwierigkeiten beim Treppensteigen und Probleme mit dem Rücken. Der Orthopäde sagte damals, ich hätte weiche Knochen und verschrieb mir ein Muskelaufbaupräparat. Ich erlernte nicht meinen Wunschberuf auf Grund meiner körperlichen Einschränkungen. Als mein erster Sohn geboren war, wurden die Einschränkungen schlimmer. Ich konnte keine Flaschen mehr öffnen, war chronisch erschöpft, hatte ständig Schmerzen auf Grund der überanstrengten Muskeln. Die Symptome spitzen sich nach der Geburt des zweiten Sohnes zu. Ich hatte drei Knieoperationen 4ten Grades Arthrose, eine Bewegungseinschränkung von 90° und konnte meinen Oberschenkelmuskel nicht mehr aufbauen. Die schlechte Heilung konnte sich keiner erklären, bis ich im Frühjahr meine Hände und Füße nicht mehr bewegen konnte. Zahlreiche Klinikaufenthalte und Rehamaßnahmen brachten keinen Erfolg. Muskelaufbau, Stromanwendungen verschlechterten den Zustand eher. Es gab viele Diagnosen: undifferenzierte Kollagenose, Burnout, Fibromyalgie … Viele Gutachten folgten, viele nicht sehr nette Äußerungen usw. Bei meinem kleinen Sohn fing alles mit drei Jahren an. Eines Morgens humpelte er, was nicht weiter tragisch war. Das sich sein Zustand in kurzer Zeit verschlechterte, konnte keiner ahnen. Das andere Bein kam hinzu und er entwickelte eine Spitzfußstellung. Wenige Wochen später konnte er wegen extremer Schmerzen gar nicht mehr laufen. Die Hände veränderten sich, dass er nicht mehr richtig greifen konnte und beim Hinfallen immer mit geschlossenen Händen fiel. Der nächste Schock kam dann, dass er keinen Hunger mehr hatte, selbst auf seine Lieblingsspeisen nicht. Waren diese kleingeschnitten, aß er mit großem Appetit. Beim Zähneputzen fiel mir dann die geringe Kieferöffnung auf. Er war bei kleinen Aktivitäten schnell erschöpft, bekam sofort rote fleckige Haut. Nachts war er so durchgeschwitz und schlief auffällig viel. Es folgten viele Arztbesuche, Klinikaufenthalte, Operationen, Diagnosen wie: Klumpfüße, Spastik, undiff. Kollagenose, / Achillessehnenverlängerung, Botoxbehandlungen, Kieferdehnung, Hautbiopsi, Muskelbiopsi … Dort hatten wir endlich ein Ergebnis. Die Mitochondrie (Kraftwerke in den Muskelzellen) sind verändert, aber keiner Krankheit zu zuordnen. Die Kinderärztin und der Orthopäde versorgten ihn mit Hilfsmittel und regelmäßige Krankengymnastik und Ergotherapie. Durch die kontinuierliche Behandlung 3x pro Woche ist sein Zustand momentan stabil. Kälte und viel Anstrengung zeigen eine deutliche Verschlechterung. Ich fand, dass meine Einschränkungen, die meines Sohnes ähnelten und habe sämtliche Medizienbücher gewälzt, die ich kriegen konnte. Bis ich auf die Bethlem-Myopathie gestoßen bin und dachte, dass passt. Beim nächsten Arzttermin sprach ich die Thematik an. Die Ärztin verglich die Symptome mit denen meines Sohnes und bestätigte mir, dass wir beide die Selbe Erkrankung haben. Die folgenden Schritte waren, dass eine Blutprobe an ein Genetiklabor geschickt wurde. Nach 12 Wochen hatten wir ein positives Ergebnis. Die Folge war, dass unsere ganze Familie getestet wurde. Nach 6 Wochen bekamen wir die Nachricht. Das ich mit erkrankt bin, war keine große Überraschung. Das mein großer Sohn auch betroffen ist, war ein riesen Schock. Jetzt nach einem Jahr der Erkenntnis, kann ich besser damit umgehen, als nicht zu wissen, was mich erwartet. Für den kleinen Sohn bekommen wir die notwendige Unterstützung in fast jeder Hinsicht. Manche Anträge und deren Umsetzung mit den Behörden kann jedoch auch schon mal mit einem Jahr Wartezeit verbunden sein. Ich bekomme jetzt auch regelmäßige physio- und ergotherapeutische Anwendung, was mir gut bekommt. Die lange Zeit der Nicht- bzw. Falschbehandlung hat natürlich Spuren hinterlassen, so dass ich in schmerztherapeutischer Behandlung bin und die körperliche Belastung und die Arbeitsfähigkeit sehr stark eingeschränkt sind. Belastend sind die schon über 7 Jahre laufenden Gutachten, wo sich die Gutachter ihre Fehlbegutachtung nicht eingestehen wollen. Selbst Gegengutachten spezialisierter Ärzte und behandelnde Professoren werden trotz gesicherter Diagnose weiterhin angezweifelt.

Das wichtigste ist: Nach sieben Jahren langer Berg und Tal Fahrt – wir haben eine Diagnose und eine grobe Wegrichtung. Die Familie ist noch enger zusammengeschweißt und den Rest schaffen wir auch.

Danken möchte ich ganz vielen netten Leuten: die behandelnden Ärzte, unserer lieben Physiotherapie, Ergotherapie, alle die uns unterstützend zur Seite gestanden haben und natürlich die bereits netten kennengelernten BM-Betroffenen.